Sonntag, 13. Februar 2011

Der Zehnte in der Bibel und in Freikirchen

Leseprobe ab Seite 170

Die Praxis der Zehntgelderhebung garantiert eine regelmäßige Geldzufuhr, ohne die das Pastoralsystem zusammen brechen würde.

Wer auf diese Einnahmen angewiesen ist (der Pastor) der wird den "Zehnten" unter keinen Umständen in Frage stellen, müßte er doch wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen und auf das Prestige seiner Stellung verzichten. So richtet der "Zehnte" mehr Schaden an, als es auf den ersten Blick erscheint, hilft er doch, ein Gemeindemodell zu zementieren, das von der Schrift weit entfernt ist. Biblische Gemeindestrukturen, die ohne Immobilienbesitz und Arbeitsverträge auskommen, brauchen zu ihrer Selbstverwaltung eigentlich nahezu kein Geld. Sie nutzen die ohnehin vorhandenen Ressourcen der Glieder wie z.b die Wohnungen als Versammlungsräume und natürlich auch die Gesamtheit der mündigen Brüder als kostenfreies Lehr- und Missionspotenzial.

Nicht wenige Vertreter des neutestamentlichen Zehntgeldkonzeptes sind nicht bereit, eine sachliche Diskussion zu führen, vertreten ihre Auffassungen vielmehr wie allgemeinverbindliche Wahrheiten, wie Dogmen, die nicht hinterfragt werden dürfen. Kritik muss angemeldet werden wegen der Art, wie die Diskussion teilweise geführt wird: In den vorliegenden Artikeln finden sich leider auch Beispiele der Diffarmierung Andersdenkender und Androhungen von Sanktionen. So wird eine Atmosphäre der Angst erzeugt, die nicht ohne Wirkung bleibt. Durchaus unerwartet sind wir mit der Erzeugung von Angst wieder im Raum des religiös missbräuchlichen Handelns angekommen. In diesen Raum gehört auch die viel zitierte Stelle aus Maleachi 3,8-11 wie in diesem Buch nachgewiesen wurde. Die traditionelle Auslegung dieses Verses hat am meisten Verunsicherung und Unruhe verursacht.

Zu Werken die nur im Internet verfügbar, aberin Büchern vergleichbar sind, gehören u.a.:

Scott W. Brians: "Rethinking the Tithe" und David E. Root,Jr: "Must Christian Tithe Ten Percent ?"

Brian vertritt seinen Standpunkt zum Thema "Finanzen" in drei Artikeln, zum
"Zehnten", zu
"Opfern" und zum
"Säen und Ernten-Prinzip".

Im Artikel zum "Zehnten" werden die Verhältnisse unter dem Alten und Neuen Bund untersucht, Schwerpunkt des Artikels ist jedoch die Auseinadersetzung mit den Argumenten der Befürworter des "Zehnten".

In dem Artikel von Root findet sich eine sachliche , gründliche und detaillierte Besprechung aller Passagen der Bibel zum "Zehnten", unter besonderer Berücksichtigung der Teile, die außerhalb des mosaischen Gesetzes stehen - Abraham und Melchisedek, Hebräerbrief, Jakob - sowie der neutestamentlichen Prinzipien des Gebens und der historisch wichtigen Entscheidungen der Apostel auf der "Jerusalemer Konferenz". Der Autor zitiert ferner eine größere Zahl von Bibelstellen, die belegen, dass Geld schon zur Zeit Abrahams bis zur Zeit Mose (und danach) in Gebrauch war, dass aber der "Zehnte" immer nur in Naturalien geleistet wurde. Er kommt zum Schluss:

Gott befahl Christen nie, den "Zehnten" zu geben. Das Zehntgeldprinzip in seiner heutigen Form hat keine Beziehung mit irgendeiner Passage zum "Zehnten" irgendwo in der Bibel. Es ist eine menschengemachte Erfindung.

Lehre und Praxis des Zehntgeldgebens sind meist so, dass sie den anderen Ordnungen Gottes entgegenstehn. Christen werden nämlich durch sie gebunden, sodass sie nicht mehr frei sind zu entscheiden , wie viel und wohin sie geben. Somit ist es für sie auch kaum noch möglich, sich diesbezüglich vom Geist Gottes leiten zu lassen.

Die Situation in den USA

Angesichts der für eine detailierte, sachgemäße und fundierte Auseinadersetzung mit dem Thema "Der Zehnte in der Bibel und in (deutschen) Freikirchen" völlig unzulänglichen Datenlage im deutschen Sprachraum, angesichts des offiziellen Schweigens der meinsten Freikirchen zum Thema bei gleichzeitiger Tabuisierung und Dogmatisierung - erkennbar an der bisher fehlenden Bereitschaft, sich auf die Suche nach der Wahrheit einzulassen und nachweislich falsche Positionen  aufzugeben - ergab sich die Notwendigkeit, die Situation in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) mit heranzuziehn. Wie allgemein bekannt ist die absolute und relative Zahl praktizierender Christen in den USA wesentlich größer als in Deutschland. Das Problem einer adäquaten Finazierung aller kirchlichen Aktivitäten ist drängender, da in den USA Kirche und Staat (traditionell) strikt getrennt sind; Kirchensteuer sind unbekannt.
Als Informationsquellen relevant waren für mich ausser mündlichen Berichten insbesondere Bücher, Artikel und Schriften zum Thema "Der Zehnte". Eine Recherche zeigte, dass es in den USA dezidiert auch zwei Lager gib, ein Lager pro (für) und ein Lager contra (gegen) die Zehntgelderhebung. Auch in den USA finazieren sich offensichtlich viele Gemeinden und christliche Werke mittels des "Zehnten", aber das "Contra Lager" kann nicht so schwach sein wie in Deutschland, wei eine Liste bekannter christlicher Leiter, Nachschlagwerke, Bücher und sonstigen Schriften zeigte, die sich gegen den "Zehnten" aussprachen. Nochmals anders formuliert: Der Widerstand gegen das Zehntgeldprinzip hat sich formiert und nimmt an Stärke zu! Darüber kann sich der Leser dieses Buches durch Aufruf selbst überzeugen. Die Gesamtheit aller Quellen scheint zu belegen, dass in den USA im Gegensatz zum deutschen Sprachraum eine lebhafte Debatte geführt wird. Zutreffender noch könnte man sagen, es findet ein Kampf gegen die Vertreter des Zehntgeldprinzis statt. Dabei scheint das Thema "Der Zehnte" in den USA nicht tabuisiert oder dogmatisiert zu sein, jedenfalls soweit dies für einen Außenstehenden dem Schrifttum entnehmen ist.

Weiter ist es gut, zum Schluss noch eine wahrscheinlich überraschende Lektion besonderer Art zu lernen: Aus dem Buch von E.L. Martin erfahren wir, dass die Juden der Moderne in den USA keinen "Zehnten" bezahlen. Warum nicht ? Die alttestamentlichen Anweisungen aus den Büchern Leviticus, Numeri und Deuteronomium (3. 4. und 5. Buch Moses - siehe Inhaltsverzeichnis) und ihre Wiederinkraftsetzung durch die Reformen Nehemias sind heute obsolet: Seit der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. durch die Römer gibt es keinen Tempeldienst mehr, keine Leviten und Priester, die ihn durchführen; auch die übrigen Angaben des Alten Testaments sind heute nicht mehr in Funktion - deshalb wäre es geradezu eine Sünde (!), den "Zehnten" zu zahlen, wie ein Rabbi drastisch formulierte. Voraussetzung für eine Wiedereinführung des Zehntgeldprinzips für Juden wäre der Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem und die Wiedereinführung des Tempeldienstes nach den Vorgaben des Alten Testaments.
Rezension bezieht sich auf: Der Zehnte in der Bibel und in Freikirchen (Amazon)
Dieses Buch öffnet einem die Augen und wirft Licht auf ein Thema, was all zu lange unter dem Dickicht ungeschriebener Gesetze und moralisierender Tabus verborgen war. Allerdings wird das an der gängigen Praxis in unseren Gemeinden leider nicht viel ändern - dazu steht viel zu viel auf dem Spiel!
Ich denke die ehrlichste Lösung wäre, wenn man die Abgabe als das bezeichnen würde was es ist: Ein freiwilliger Mitgliedsbeitrag um die laufenden Kosten einer Gemeinde zu decken. Eine Gabe deren Höhe der Geber alleine festlegt. Völlig frei von jeder Intention Gott zu bestechen, ohne Komplexe "weil man Gott bestiehlt" wenn man den "Zehnten" nicht in voller Höhe gibt und vor allem auch keinen "Geberwettstreit" wer nun als nächstes seinen Zehnten vom Brutto statt vom Netto entrichtet. Das Neue Testament kommt ohne erhobenen Zeigefinger, ohne frommen Leistungsdruck und vor allem ohne schlechtes Gewissen aus. Als jemand, der schon viele peinliche Geldpredigten ertragen musste, ist dieses Buch wie ein offenes Fenster in einem miefigen Zimmer. Wie gerne wurde bei den all den "Geldpredigten"doch immer das Pauluswort von dem "fröhlichen Geber" ins Feld geführt. Richtig Sinn macht dieses Wort aber erst dann, wenn man den ganzen Satz zitiert: "Jeder gebe, wie er sich in seinem Herzen vorgenommen hat: nicht mit Verdruss oder aus Zwang, denn einen fröhlichen Geber liebt Gott." (2Kor 9,7)


Rezension bezieht sich auf: Der Zehnte in der Bibel und in Freikirchen (Amazon) 
Prof. Dr. Edenharder ist nicht nur promovierter Chemiker, sondern auch Bibelexperte. Er ist mit diesem Buch dem Zehnten auf der Spur.

Zu Zeiten des Alten Testaments war der Zehnte per Gesetz die Pflichtabgabe. Die Entwicklung vom Zehnten damals, bis hin in unsere Zeit zu untersuchen, dass ist das Ziel von Prof. Edenharder in diesem Buch. Dazu schaut er sich mit dem Leser gemeinsam alle Stellen des AT und NT an und wertet sie kompetent und mit Sachverstand aus. Es liest sich frisch, praxisbezogen und ermutigend was Edenharder schreibt.

Spannend wird es als sich der Autor der aktuellen freikirchlichen Praxis der Zehntgelderhebung in Deutschland zuwendet. Nach dem lesen bin ich froh und denke mir: Endlich mal einer der vom religiösen Missbrauch mit dem Zehnten spricht, endlich mal einer der weiter denkt als bis über den Rand der eigenen Kirchenkasse.

Dieses Buch wird manch einem glühenden Verfechter des Zehnten ein Dorn im Auge sein. Für mich ist dieses Buch ein äußerst kompetentes Buch, dass allen die mühselig und beladen sind entgegen kommt.

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2 Kommentare:

Gmerkigs hat gesagt…

Das ist ein sehr guter Beitrag. Danke dafür. Erstaunt aber auch erfreut hat mich zu hören, dass in den USA dieses Thema doch nicht nur Befürworter hat. Unsere "Glaubenswellen" schwappen ja oftmals von Amerika zu uns. Hoffen wir, dass auch dieses Kritische zur Zehntenlehre zu uns rüberschwappt. Denn ich bin überzeugt davon, dass sich viele Menschen unter einen Druck bringen lassen durch diese Lehre.

Hier ebenfalls ein lesenswertes pdf, etwas ausführlich, lohnt sich aber, zumindest querzulesen: http://liane-philomea.blogspot.ch/2011/02/der-zehnte-in-der-bibel-und-in.html

Liebe Grüessli Regula

Anonym hat gesagt…

Bin immer noch derselben Meinung. Leider scheint sich da aber in den Freikirchen noch nichts dazu geändert zu haben.

Aussenmission ist dann möglich, wenn sich Christen vom Heiligen Geist leiten lassen. Denn ER zeigt jedem, der offen ist, was er wo und wieviel investieren soll. Wenn christl. Werke bloss dann existieren, wenn eine sture Zehntenlehre sie am Leben erhält, ist die Finanzierung zwar gesichert, aber die Geber verpassen es, auf Gott zu hören, was ihre Finanzen betrifft.

Das mit der Zensur verstehe ich nicht.